Wie entstehen unsere Panoramakarten von Städten
EIN BISSCHEN GESCHICHTE
Die perspektivische Darstellung ist eine der ältesten Formen der kartographischen Darstellung von Städten und Gebieten. Die frühesten Erwähnungen von Regeln der Perspektive gehen auf Euklid im 3. Jahrhundert vor Christi zurück. Das Wissen auf diesem Gebiet festigte sich in der Epoche der italienischen Renaissance, als Leonardo da Vinci die Prinzipien der Luftperspektive darlegte. Einen wesentlichen Beitrag zum Verständnis der Perspektive leisteten die großen Meister der Malerei und der Grafik, unter anderen H. van Eyck und Albrecht Dürer. Viele Kartengemälde, besonders jene aus der Zeit zwischen dem 16. und dem 18. Jahrhundert, zählen im Hinblick auf ihren künstlerischen Wert zu hervorragenden Kunstwerken.
Tabula Nova Poloniae et Silesiae, 1657 - Nicolaij Johannes Visscher
Vom Reiz und Zauber der alten Karten und Stadtpläne gebannt, nahm El¿bieta Ku¼miuk das Studium der Geografie auf. Später widmete sie sich beruflich der Arbeit mit Karten als Gründerin und Chefredakteurin des Verlages Terra Nostra. So bestimmten alte Karten und Pläne das Wirkungsfeld dieses Warschauer Verlages.
GEMEINSAME LEIDENSCHAFT
Ein Liebhaber und Sammler alter Karten ist auch Ruben Atoyan, ein Armenier, geboren in Kirowakan. Er studierte Kartographie in Moskau und arbeitete später an Karten in Eriwan, Tiflis und Minsk.
Die Wege der beiden Kartographen kreuzten sich in Danzig, wo El¿bieta 1994 als geborene Danzigerin das 1000-jährige Jubiläum der geliebten Stadt mit einer Panoramakarte ehren wollte.
In einer alten Danziger Bibliothek bewunderte Ruben die berühmten Stadtpanoramen im Atlas von Franz Hogenberg und Georg Braun sowie die Stadtpläne im Weltatlas "Civitas orbis terrarium" von 1577. Diese alten Atlanten brachten ihn auf die Idee, Panoramakarten heutiger Städte zu zeichnen, um diese später als Sammlung in einem Atlas herauszugeben. Seitdem arbeitet Ruben Atoyan mit dem Verlag Terra Nostra zusammen, wo er seine Interessen voll entfalten kann. In Kooperation mit dem Verlag entstand eine Serie von Panoramakarten heutiger Städte, deren graphische Form an die alten Techniken anknüpft.
ZUSAMMENSTELLUNG DES MATERIALS
Bevor der Künstler mit der Arbeit an einer neuen Panoramakarte beginnt, muss er sich mit umfangreichen Beständen von alten Stadtplänen, Panoramakarten und Grafiken, die in Bibliotheken und privaten Sammlungen zugänglich sind, vertraut machen. In den Arbeiten der Vorgänger, die im Laufe der vergangenen Jahrhunderte entstanden sind, sucht er nach bestimmten Merkmalen, die den universellen Charakter einer Stadt ausmachen. So ist es notwendig, viele Bibliotheken zu besuchen, ganze Stapel von Büchern zu lesen, alte Karten und Stiche, hunderte von Luftaufnahmen, etliche Bögen mit topographischen Plänen durchzusehen, viele Menschen, Fachleute für Architektur, Kunst und Geschichte einer bestimmten Stadt kennen zu lernen.
DER ENTWURF
Das Erarbeiten einer perspektivischen Karte ist ein komplizierter Prozess, der hohe Qualifikation und Erfahrung in graphischer Geometrie, Kartographie sowie im Zeichnen erfordert. Die Grundlage der Panoramakarten bildet das künstlerische Prinzip der Landschaftsmalerei, nämlich die dreidimensionale Darstellung von Objekten. Es handelt sich hier um die realistische Wahrnehmung von dreidimensionalen Objekten, die auf einer Ebene mittels Zeichnungen und Farbe festgehalten werden können.
Bei den Vorbereitungen eines neuen Werkes muss man die Größe einer Stadt, ihre Geländeform und die Möglichkeit ihrer Darstellung auf einem DIN B1 Blatt (100 cm x 70 cm) berücksichtigen.
Zu diesem Zweck lernt der Künstler mit dem Stadtplan in der Hand die wichtigsten Stadtteile kennen und sucht nach der günstigsten Möglichkeit, ihre Schönheit darzustellen. Die Entscheidung, welches Fragment der Stadt gezeigt wird und aus welcher Richtung die Projektion erfolgt, gehört zu den wichtigsten Etappen des Entwurfs. Als nächstes wird die Höhe der Horizontlinie festgelegt. Auf unseren Karten sind das meistens 30 - 45o über der Horizontlinie. Zum Schluss wird die Bildtiefe der Zeichnung entschieden.
ORNAMENTIK
Alle Panoramakarten des Verlags Terra Nostra ahmen einen alten Stil nach, indem sie Elemente der altertümlichen Ornamentik enthalten. Dafür ist die Verbindung des Neuen mit dem Alten notwendig - das gegenwärtige Stadtbild wird mit einer Patina überzogen. Dank der Ornamentik ähneln unsere Panoramakarten den herkömmlichen Werken, weil sie an die alte Technik der Darstellung von Stadtbildern anknüpfen. Diese Tradition möchten wir fortsetzen.
Krakauer Lajkonik, Gondel und venezianische Masken
Danziger Neptun
Nach den Gesprächen mit Historikern und Kunstkennern einer bestimmten Stadt treffen wir die Wahl der Ornamente. Meistens knüpfen sie an das Stadtwappen oder seine Fragmente, an wichtige historische Personen, Gebäude oder an die Geschichte der Stadt an. Die Wahl dieser Elemente ist sehr wichtig, weil sie jeder Panoramakarte eine einmalige Bildästhetik verleihen.
Am Ende der ersten Etappe entsteht eine Skizze des ganzen Panoramas, die von allen Schaffenden akzeptiert wird und nach der der Künstler später die Panoramakarte anfertigt.
Der akzeptierte Entwurf des Panoramas von Berlin
SKIZZEN IM FREIEN
Als nächstes macht sich der Künstler mit dem Notizblock und dem Tuschefüller auf den Weg in die Stadt. Mehrere Wochen in der Sonne und im Regen, von morgens bis abends streift er durch die Straßen und Winkel einer Stadt, bleibt vor jedem Gebäude stehen und mit einer unglaublichen Pietät gibt er ihr Bild mehrmals verkleinert wieder.
Der armenische Kartograph und Künstler, Ruben Atoyan, skizziert Straßen, Kanäle und Bauten von Venedig
Unter den wenigen lebenden Künstlern besitzt Ruben Atoyan ein seltenes räumliches Vorstellungsvermögen, das ihm erlaubte, seinen eigenen Stil des perspektivischen Zeichnens und der Darstellung der urbanen Landschaften aus der Vogelperspektive zu erarbeiten. Dank des Talentes des Künstlers können wir auf seinen Panoramakarten alle Details ganz genau bis zum Horizont bewundern. In seinem Notizbuch erscheinen zuerst schwarze zwei- und dreidimensionale Konturen- und Silhouettenskizzen. Das wichtigste Element der Zeichnung sind Linien, da die Wahrnehmung eines Objekts von ihrer Stärke abhängt. So werden alle bedeutenden Objekte mit dickeren Strichen skizziert, damit sie sich deutlich von anderen Objekten des Panoramas abheben.
Venedig und Warschau
Ausschnitte der Skizzen von Danzig
Nachdem alle Konturen verstärkt wurden, zeigt der Künstler die Belichtung und die Dreidimensionalität der Formen. Auf dem Blatt erscheinen Skizzen von Fassaden. Die vertikalen und horizontalen Striche werden zu Häusern, Kirchen, Türmen, die man von der Straßenebene aus sieht. Der Künstler zählt Fenster und markiert ihre Größe und den Abstand zwischen ihnen. Er schaut in die Höfe der Bürgerhäuser hinein und registriert solche Details wie ein Sandkasten, ein Busch am Zaun, Vögel...
Die Aufnahmen aus der Luft sind hilfreich beim Bestimmen der Formen und Farben von Dächern. Dank ihnen kann man ins Innere, in den Hof hineinschauen, aber um die Schönheit der Sehenswürdigkeiten und Kirchen zu zeigen, muss man sie mit der Hand aus einer bestimmten Perspektive zeichnen. Hier das Beispiel der Kirche San Giorgio Maggiore in Venedig.
Wenn die Panoramakarte die Stadt aus der Vogelperspektive zeigen soll, muss man auch die Dächer der Gebäude zeigen. Der Künstler muss auf die oberste Etage des höchsten Gebäudes in der Gegend steigen und die Dachziegel, Schornsteine und Antennen zeichnen. Er legt auch die Farbgebung der Häuser fest und notiert sie aufmerksam auf der Skizze: hier Grau und dort Grün. Später wird er diese Farben originalgetreu mit der Aquarellfarbe wiedergeben.
FILM-UND AUFNAHMENDOKUMENTATION
Bei der Arbeit an der Panoramakarte hilft dem Künstler die Redakteurin, El¿bieta Ku¼miuk.
El¿bieta Ku¼miuk beim Filmen
El¿bieta durchkreuzt die Stadt mit dem Fotoapparat und der Videokamera und macht Aufnahmen von Straßen, Plätzen, Häusern und ausgewählten Architekturelementen. Von den höchsten Gebäuden, Kirchtürmen, Balkonen und Dächern aus dokumentiert sie alles aus einer bestimmten, mit dem Künstler vereinbarten Richtung. Manchmal klopft sie sogar an die Türen von Privatwohnungen, um von einem bestimmten Fenster aus ein bestimmtes Fragment der Stadt zu fotografieren. Das Ergebnis sind tausende von Aufnahmen für jedes Panorama. Anhand von Fotos und Filmen verifiziert der Künstler später seine Notizen, um alle Objekte und Straßen genau zeichnen zu können.
BESPRECHUNGEN UND REDAKTIONSMATERIAL
Der Redakteur ist ebenfalls zur Beschaffung notwendiger Informationen und Materialien verpflichtet, die von den topographischen Karten, aktuellen Aufnahmen aus der Luft, Stadtplänen, Reiseführern und Fotoalben ergänzt werden. Es werden alle möglichen Pläne der aktuellen räumlichen Bewirtschaftung und der Stadtplanung berücksichtigt. Hierzu sind Gespräche mit Fachleuten und Einwohnern bestimmter Städte unersetzlich. Besonders wertvoll sind Gespräche mit Kennern von Architektur, Kunst, Geschichte und Kartographie. Dank diesen Gesprächen können wir getreu die gegenwärtige Schönheit einer Stadt darstellen und dabei ihren einmaligen Charakter zeigen.
Gespräche über Materialien für die Panoramakarte von Danzig
An dieser Stelle möchten wir uns bei allen bedanken, die dazu beitragen, dass unsere einzigartigen Panoramakarten zu einer exakten Dokumentation unserer Zeit werden.
PERSPEKTIVISCHE PROJEKTION
Als nächstes wird eine perspektivische Projektion angefertigt. Bei der Erarbeitung der perspektivischen Darstellung werden in der Kartographie verschiedene Arten von Projektionen angewendet. Alle herkömmlichen Karten werden in Orthogonalprojektion angefertigt. Auf diesen Karten sieht man jedoch hin und wieder dreidimensionale Darstellungen einzelner Bauten oder axonometrische Darstellungen des Stadtbildes wie z.B. auf den Karten des bekannten deutschen Bollman-Bildkarten-Verlags.
Bei den Panoramakarten des Verlags Terra Nostra, geschaffen überwiegend von Ruben Atoyan, handelt es sich um perspektivische Karten mit einem variablem Maßstab - vom großen Maßstab im Vordergrund bis zum kleinen Maßstab im Hintergrund. Diese Art der perspektivischen Darstellung erfordert ein räumliches Vorstellungsvermögen, Kenntnisse in Kartographie und zeichnerisches Talent des Kartographen.
Gewöhnlich wählt der Künstler drei bis sieben Maßstäbe, je nach Tiefe des Bildes. Vom Vordergrund geht er stufenweise bis zum Hintergrund über und verwendet dabei verschiedene graphische Mittel: Abschwächung der Strichschärfe, Generalisierung der Striche, Schematisierung und Auslassung von überflüssigen Details.
Ausschnitte der Panoramakarte von Venedig, welche die Veränderung der Details in verschiedenen Maßstäben, abhängig von der Bildtiefe, veranschaulichen.
ZEICHNUNG DER PANORAMAKARTE
Das Original der Panoramakarte wird vom Künstler im Verhältnis 1:1 zu der später gedruckten Karte vorbereitet. Die Anfertigung der Zeichnung beginnt Ruben Atoyan meistens mit der Skizze eines Umrisses auf einem Blatt Bristolkarton im Format 100cm x 70cm. Aus kaum sichtbaren Strichen ergibt sich eine Skizze der zukünftigen Form. Auf einem topographischen Raster, meistens im Maßstab 1:10000, werden die Umrisslinien verstärkt. Als nächstes wird die Beleuchtung der Form gezeigt und ihre Dreidimensionalität verdeutlicht. Alle Elemente der Zeichnung werden mit einem Tuschefüller (Rapidograph 0,13mm) aufgetragen. Der Künstler muss sich oft eines Vergrößerungsglases bedienen.
Um alle Details auf der Panoramakarte von Kazimierz festzuhalten, bediente sich der Künstler einer Lupe.
Das ist die schwierigste Etappe der Arbeit, die viel Akribie, Geduld und Präzision erfordert. Die Schwarz-Weiß-Version der Panoramakarte nimmt gewöhnlich mehrere Monate in Anspruch.
Die Schwarz-Weiß-Version der Panoramakarte von Krakau
Nach dem Auftragen aller Elemente mit dem Tuschefüller wird die Zeichnung mit Aquarellfarbe ausgemalt. Die Schwarz-Weiß-Version nimmt nach und nach Farbe an.
Nach dem Tuschefüller kommen die bunten Aquarellfarben zum Einsatz
Das ist ebenfalls eine akribische Arbeit, die eine große Sorgfalt, Ausdauer und Präzision erfordert. Der ganze Prozess nimmt dem Künstler mehrere Monate in Anspruch.
Der Künstler arbeitet an der Darstellung des Marienburger Hochschlosses
COMPUTERBEARBEITUNG
Zum Schluss wird das Original der Panoramakarte eingescannt, was seit dem Beginn unserer Tätigkeit gewisse Probleme mit sich bringt. Diese technischen Schwierigkeiten resultieren aus dem großen Format (B1) und aus dem riesigen digitalen Volumen jeder Panoramakarte. Dank des technischen Talentes unseres Grafikers Wojciech Sobecki gelingt es uns immer alle Panoramakarten nach den Vorgaben des Künstlers herauszugeben. Die Beschriftung von geographischen Elementen, Straßen, Sehenswürdigkeiten sowie andere Texte werden getrennt im Computer bearbeitet.
Der Künstler malt mit Aquarellfarbe die Panoramakarte von Berlin aus
Jede unserer Panoramakarten nimmt circa zwei Jahre, also tausende Stunden Arbeit im Freien, am Schreibtisch und am Computer in Anspruch.
Wir haben jedoch das Bewusstsein, dass unsere Panoramakarten oft die einzigen zeitgenössischen dreidimensionalen Ansichten von Städten sind, teilweise erstmals wieder nach Jahrzehnten angefertigt. Es ist unser Wunsch, dass jede unserer Panoramakarten nicht nur die Orientierung und Besichtigung der wunderschönen Städte erleichtert, sondern auch ein schönes Andenken bleibt. Diese künstlerische räumliche Vision der Städte bringt uns ihre manchmal verborgene Schönheit näher.
Werfen Sie die alten Ausgaben nicht weg, da man dank ihnen die Veränderungen, die sich in den Städten vollziehen, verfolgen kann. So gewinnen die Panoramakarten an Wert und werden zu interessanten Dokumenten unserer Zeiten. Für alle Bemerkungen sind wir dankbar.
VENEDIG - EIN PANORAMA-ABENTEUER
Bei der Vorstellung unserer Panoramakarten auf zahlreichen Messen und Ausstellungen in verschiedenen Ländern der Welt hören wir oft Fragen der Besucher: "Wo liegt Danzig?", "Was ist Marienburg?". So fassten wir den Entschluss, die Panoramakarte einer weltbekannten Stadt zu erstellen. Die Wahl fiel auf Venedig.
Venedig hat eine einheitliche Architektur. Seit Jahrhunderten ändert sich hier wenig, es entstehen kaum neue Bauten. So waren wir überzeugt, dass diese einzigartige perspektivische Karte von Bewohnern und Gästen der Stadt gut aufgenommen wird. Das war eine mühsame Arbeit, aber auch ein wunderbares Abenteuer, eine unvergessliche Zeit des Schaffens in einer magischen, faszinierenden Stadt, voller Spuren des menschlichen Genies aus verschiedenen Kunstepochen.
Wir wohnten in dem Stadtteil Dorsoduro im Zenobio-Palast, der seit fast 200 Jahren den Armeniern gehört. Heute befinden sich hier das Murat-Raphael-Jan-College sowie das Internat. Wir wurden von dem morgendlichen Glockenläuten geweckt, welches sich zu einem romantischen Lied über den Dächern der Stadt zusammenfügte. Noch im Morgengrauen zogen wir los - Ruben mit Zeichenblock und Feder, ich mit Kamera und Fotoapparat. Zuerst begegneten wir den Arbeitern der Stadtreinigung, dann den zur Morgenmesse eilenden Nonnen und Marktverkäufern. Um acht Uhr schauten uns schon die ersten Touristen bei der Arbeit zu.
Venedig enthüllt seine Schönheit in voller Pracht gerade am Morgen. Ruben skizzierte jedes Gebäude, jede Fassade von Palästen, Brunnen, Fontänen, Treppen und Brücken. Ich beschäftigte mich mit der fotografischen Dokumentation. Ich suchte nach den höchsten Gebäuden, kletterte auf Dächer und Türme der Paläste und Kirchen, von denen aus ich die nötigen Bilder, es waren tausende, und etliche Videofilme machen konnte. Die Aussicht war nicht selten atemberaubend, ein wunderschönes Panorama von terrakotafarbenen Dachziegeln, von eng aneinander gekuschelten Häusern, von tausenden von Antennen, Schornsteinen, Kuppeln und über Hundert in den Himmel schießenden Kirchtürmen. Unten blieb Ruben vor ihnen stehen und mit einer großen Präzision skizzierte er jede Einzelheit, Ornamente, gotische Details der Fenster, Balkone und Leibungen, die die Wände der Paläste aus dem 15. und 16. Jahrhundert schmücken. Er notierte originalgetreu die Farben.
In den engen Gassen wurde es immer enger und es war immer schwerer zu arbeiten. Der Schweiß floss über Rubens Stirn und der Tuschefüller trocknete aus. Das war das Zeichen, dass es Mittag ist und damit Zeit für die Siesta.
Dann besuchten wir Bibliotheken, Archive, Antiquariate, Buchhandlungen und Kartensammler. Einen unvergesslichen Eindruck hinterließ bei uns der Besuch der alten Marciana-Bibliothek in der Nähe des Dogenpalastes. Die Mitarbeiter und Wissenschaftler der Bibliothek suchten für uns aus der außergewöhnlichen Sammlung alte Stiche, Karten und Panoramen von Venedig. Sie zeigten uns architektonische Entwürfe vieler venezianischer Baudenkmäler sowie 300 oder 400 Jahre alte Federskizzen. So lernten wir die meisten der Panoramakarten von Venedig kennen, die bis jetzt entstanden sind.
Systematisch, Tag für Tag, Woche für Woche nahmen wir uns die Stadtteile Venedigs vor, zuerst das am nächsten gelegene Dorsoduro, danach Santa Croce, San Polo, San Marco, Cannaregio und zuletzt Castello. Dabei lernten wir Licht- und Schattenseiten, Freuden und Sorgen, Atmosphäre und Rhythmus dieser einmaligen Stadt kennen.
Das tägliche Leben der Einwohner von Venedig spielt sich im Labyrinth der Kanäle, in den engen Gassen, genannt calle oder salizzada, auf den Plätzen - piazzetta, campo oder campiello, an der Küste - fundamenta oder riva, in Restaurants, Trattorien, Osterien und Pizzerien ab.
Mal störte uns die Hitze, mal der Regen bei der Arbeit. Oft waren das auch Touristenströme und Lärm. Aber Venedig überraschte uns immer wieder. Um alle Fassaden der Häuser abzubilden, sogar derjenigen, die in Kanäle eingetaucht sind, mussten wir oft den ganzen Stadtteil umkreisen. Das war eine mühsame Arbeit, die viel Geduld erforderte, die aber auch ein hervorragendes Ergebnis lieferte. Tausende von Fotos und exakte Skizzen waren Ruben dabei hilfreich, ein einmaliges Werk - die einzigartige Panoramakarte vom heutigen Venedig hervorzubringen.
|